Dialog
Haushaltberatungen im Bundestag gehen zu Ende

Gruppenfoto mit allerhand Politprominenz im Dorfgemeinschaftshaus Zenting.Zoombild vorhanden

(Foto: Kubinska)

(13. November 2023) Landau a.d.Isar/Berlin - Wenn es um die geplanten Kürzungen der Deutschen Bundesregierung im Bereich der Ländlichen Entwicklung geht, so gibt es eigentlich niemanden auf politischer Ebene, der dieses Ansinnen gutheißt. Ganz im Gegenteil sind die meisten davon überzeugt, dass die Gelder für den ländlichen Raum dringend benötigt werden, um auch weiterhin gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu sichern.

„Es geht darum,“ so Hans-Peter Schmucker, Leiter des Amtes für Ländliche Entwicklung (ALE) Niederbayern, „ländliche wie städtische Regionen nachhaltig attraktiv, wirtschaftlich vital, lebenswert und demografiefest zu gestalten“. Keiner, und am wenigsten er selbst, möchte die Bevölkerung in Stadt und Land gegeneinander ausspielen.
Um den ländlichen Raum in seiner Entwicklung nachhaltig zu unterstützen, gibt es in Bayern eine starke „Verwaltung für Ländliche Entwicklung“, die den dortigen Kommunen und den dort lebenden Menschen zur Seite steht, wenn es darum geht, sich den aktuellen als auch künftigen Herausforderungen frühzeitig zu stellen und Resilienz-Konzepte zu entwickeln. Dies erfolgt hauptsächlich auf drei verschiedenen Planungsebenen: Dorferneuerung, Gemeindeentwicklung und Integrierte Ländliche Entwicklung (ILE). „In Niederbayern arbeiten wir mit rund 80 % aller Kommunen in insgesamt ca. 450 Projekten mit Tausenden von Einzelmaßnahmen partnerschaftlich zusammen“, betont Schmucker stolz.

Der Sachverständigenrat Ländliche Entwicklung (SRLE) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) teilte vor Kurzem in einer Stellungnahme mit: „Der Sachverständigenrat beobachtet nunmehr mit großer Sorge, dass die Entwicklung der ländlichen Räume zunehmend aus dem politischen Fokus zu geraten scheint. Die für den Bundeshaushalt 2024 geplanten Mittelkürzungen bei der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) und der Wegfall der Zweckbindung von Mitteln für die „Integrierte ländliche Entwicklung“ sollten zurückgenommen werden.
Würde der Regierungsentwurf des Bundeshaushaltsgesetzes beschlossen, können die Länder, die die GAK-Maßnahmen kofinanzieren und umsetzen, 2024 kaum neue Förderanträge bewilligen. Ein Großteil der Ausgaben ist für 2024 bereits durch mehrjährige Förderzusagen, insbesondere für mehrjährige GAK-Maßnahmen gebunden. Fiele gleichzeitig durch die Abschaffung des Sonderrahmenplans „Förderung der ländlichen Entwicklung“ die Zweckbindung für ILE-Maßnahmen weg, wäre hier ein besonders starker Einbruch der Neubewilligungen zu befürchten. Für ländliche Räume wäre dies ein Rückschritt, für Antragstellende von Fördermaßnahmen würde dies das Gegenteil von Planbarkeit bedeuten und Politikverdrossenheit verstärken. Dies gilt insbesondere für ILE-Vorhaben, bei denen umfangreiche Planungsprozesse vorgelagert waren (zum Teil auch geförderte) und die bei Realisierung der GAK-Kürzungen nicht umgesetzt werden können.“

Dies ist die eindeutige Positionierung eines Expertengremiums, das vom BMEL selbst eingesetzt wurde. Und auch Bundesminister Czem Özdemir teilt einen Großteil dieser Ansichten.

So stellt er in einer Rede vor dem Bundesrat am 20.10.2023 unter anderem fest: „Mit diesen Mitteln (Anmerkung: aus der GAK) … konnten wir in den vergangenen Jahren wichtige Erfolge bei der Stärkung unserer ländlichen Räume erreichen. Für Projekte in der Dorferneuerung, in der Flurneuordnung, im ländlichen Wegebau und bei der Unterstützung von Kleinstunternehmen der Grundversorgung waren diese Mittel häufig elementar. Gleichermaßen waren die GAK-Mittel für den Klimaschutz, für den Erhalt und die Förderung der Biodiversität wie auch für den Hochwasser- und Küstenschutz sowie die einzelbetriebliche Förderung gut angelegtes Geld. Denn damit wurden vielfältige Maßnahmen möglich, die neue Impulse für eine klima- und ressourcenschonende Landwirtschaft häufig erst möglich gemacht haben. Landwirtinnen und Landwirte konnten in mehr Biodiversität, in mehr Klimaschutz investieren und sich damit gleichzeitig fit machen für die Zukunft.“

Des Weiteren betonte der Bundesminister: „Wir haben für die Reduktion der Kürzungen gekämpft, gerade weil es auch um den gesellschaftlichen Zusammenhalt geht, gerade weil in diesen Zeiten das Verbindende von Stadt und Land besonders wichtig ist. Damit dieses Potenzial auch in Zukunft abgerufen werden kann, müssen wir unsere ländlichen Räume bestmöglich stärken. Wir schulden das den Menschen in unserem Land, auch als Anerkennung für ihr gesellschaftliches Engagement für den Zusammenhalt. Viele tun das vor Ort ehrenamtlich und müssen hier und da gegen Widerstände kämpfen. Sie bilden geradezu das Rückgrat unserer Demokratie. Lassen Sie uns auch zukünftig gemeinsam wichtige Zukunftsvorhaben für ländliche Räume, für den Klima-, für den Naturschutz, für die Gewässerrenaturierung sowie für eine nachhaltige, zukunftsfähige Landwirtschaft voranbringen!“

Dennoch kommt er letztendlich zu der Schlussfolgerung: „Es ist und bleibt ein schwieriger Spagat, die Inflation zu bekämpfen, die Zeit der hohen krisenbedingten Ausgaben hinter uns zu lassen und gleichzeitig die richtigen Zukunftsprojekte anzupacken. Unter diesen Voraussetzungen ist der Bundeshaushalt sicherlich ein schwieriger Kompromiss, und ich will das hier keineswegs schönreden.“

In Anlehnung an ein Luther-Zitat könnte man Czem Özdemir die Worte in den Mund legen: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“ Allerdings brachte Luther damit zum Ausdruck, zu seinen Überzeugungen stehen zu wollen, egal was ihm in der Folge widerfahren würde.
Auch für die Glaubwürdigkeit von Czem Özdemir wäre es enorm wichtig, zu seinen eigenen Überzeugungen zu stehen und nicht durch gegenteiliges Handeln dem ländlichen Raum zu schaden. Es wird im Bundestag aufgrund der dortigen Mehrheitsverhältnisse wohl dazu kommen, dass eine dramatische Kürzung für den Förderbereich Ländliche Entwicklung beschlossen wird, obwohl dies keiner haben und letztendlich auch keiner dafür verantwortlich sein will.

Die Bayerischen Ämter für Ländliche Entwicklung werden als Exekutivorgan mit dieser Entscheidung leben müssen. Jedoch ist es deren Pflicht, frühzeitig auf die Folgen der geplanten Kürzungen hinzuweisen, um einen drohenden Entwicklungsstillstand im ländlichen Raum zu verhindern. Dabei liefern Bundesminister Czem Özdemir und sein Sachverständigenrat Ländliche Entwicklung selbst die besten Argumente.