Veranstaltungen Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken
Bis zu 150 Tropentage im Jahr in Franken?

(15. März 2017) Seßlach - In Zusammenarbeit mit dem Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken im Projekt „boden:ständig Seßlach“ lud die Initiative Rodachtal zum Klimagipfel nach Seßlach ein. Hauptthema war der Klimawandel, seine Auswirkungen auf die Landwirtschaft sowie mögliche Maßnahmen zur Verbesserung von Boden- und Gewässerschutz. Bürgermeister Martin Mittag konnte dazu viele interessierte Zuhörer begrüßen.

Im Rahmen der Initiative „boden:ständig“ der bayerischen Staatsregierung werden in mittlerweile über 40 Projektgebieten in Bayern, eines davon in Seßlach, Maßnahmen zum Boden- und Gewässerschutz umgesetzt. Paul Zweier vom Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken stellte die Initiative vor. Ziel sei es, dass sich die Landwirte mit erosionsmindernden und strukturverbessernden Bewirtschaftungsmethoden wie Mulchsaat und Zwischenfrüchten engagieren. Außerdem sollen die aktuellen Erkenntnisse hinsichtlich einer gewässer- und umweltschonenden Landbewirtschaftung zielgerichtet für das jeweilige Projektgebiet beraten und umgesetzt werden. Ebenso wichtig sei im Einzelfall die Anlage von Landschaftselementen für den Boden- und Gewässerschutz, die auch gefördert werden können. Das Prinzip „Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht“ ist dabei Kernelement und Erfolgsrezept für den Erhalt intakter Böden und sauberer Gewässer in Bayern. Der Klimawandel und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Bodenbewirtschaftung sind neue Herausforderungen, die besonders zu berücksichtigen sind.

Sehr anschaulich und eindrucksvoll erläuterte der Klimatologe Prof. Heiko Paeth von der Uni Würzburg, dass der aktuelle Klimawandel wissenschaftlich erwiesen mit 95 % Wahrscheinlichkeit durch menschliches Handeln verursacht werde. Noch könne die auf der Pariser UN-Klimakonferenz 2015 vereinbarte Begrenzung des Temperaturanstiegs auf maximal 2 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit erreicht werden. „Die Instrumente dafür haben wir“, zeigte sich der Wissenschaftler überzeugt. Allerdings werde die Zeit immer knapper, da aktuell bereits ein Anstieg von fast 1 °C zu verzeichnen sei. Für die Zielerreichung seien daher künftig immer größere Einschränkungen erforderlich, je länger der Zeitraum anhalte, in denen Maßnahmen zum Klimaschutz aufgeschoben werden. Und darauf weise beispielsweise die in den vergangenen 10 Jahren um 23 % gestiegene Pro-Kopf-Emission bei Treibhausgasen eindeutig hin. Paeth kritisierte: „Das Pariser Abkommen ist großteils das Papier nicht wert, weil zwar Ziele formuliert sind, aber keine konkreten Verpflichtungen für die Nationalstaaten vereinbart wurden.“

In seinen Modellrechnungen zum Klimawandel geht Paeth von einer unterschiedlichen Intensität der Anstrengungen zum Klimaschutz aus. Bei einem „mittleren“ Niveau kann es bis Ende des 21. Jahrhunderts in Frankens Flusstälern durchschnittlich rund 50 Tropentage geben. Tropentage sind Tage mit einer Durchschnittstemperatur von mehr als 25 °C. In einzelnen Jahren könnten sogar bis zu 150 Tropentage zu verzeichnen sein. Zum Vergleich: Im „Jahrhundertsommer“ 2003, der von extremer Hitze und Trockenheit geprägt war, waren es „nur“ 36 Tropentage. Gleichzeitig würden die Niederschläge in unserer Region im Winter um 10 bis 20 % zunehmen, im Sommer dagegen um etwa 20 bis 30 % abnehmen. Ebenso steigt die Häufigkeit und Heftigkeit von Starkregenniederschlägen, wie es im vergangenen Jahr extrem in Simbach am Inn zu erleben war. Die Aussagen des Wissenschaftlers beschäftigen die Zuhörer stark, wie aus der anschließenden lebhaften Diskussion deutlich wurde.

Die Folgen des Klimawandels betreffen auch die Landbewirtschaftung. Dr. Joachim Liebler von der Gruppe Landwirtschaft und Forsten an der Regierung von Unterfranken ging unter diesen Gesichtspunkten der Frage nach, ob Stickstoffdüngung und Gewässerschutz zusammen passen können. „Zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft bestehen keine Zielkonflikte“, so Dr. Liebler, denn beide wollen, dass Boden und Nährstoffe auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche bleiben. Wirtschaftlicher Erfolg für den Landwirt sei vor allem auch eine Frage der Stickstoffeffizienz. Liebler erinnerte daher daran, dass Stickstoff zwar ein wichtiger Nährstoff für das Pflanzenwachstum ist, aber auch eine mangelnde Verfügbarkeit von Wasser oder anderen wichtigen Nährstoffen ertragsbegrenzend wirken können. Daher sei bei Wachstumsstörungen ein Mehrangebot an Stickstoff häufig nicht zielführend, sondern insbesondere im Hinblick auf den Gewässerschutz negativ zu sehen. Vielmehr müsse versucht werden, andere ertragsbegrenzende Faktoren zu optimieren. Dazu gehöre eine möglichst vielfältige Fruchtfolge ebenso wie eine gute Bodenstruktur, ein standortangepasster Kalkgehalt im Boden und eine ausgeglichene Versorgung mit weiteren Pflanzennährstoffen. Dann würde auch der Ertrag weniger stark auf die zu erwartenden starken Schwankungen in der Wasserversorgung reagieren. Hinsichtlich einer zunehmenden Trockenheit in Franken könnte sich künftig die Ausbringung von Stickstoff in Depots in einer weniger mobilen Form als vorteilhaft erweisen.

Der Bodenspezialist Max Schmidt setzte sich abschließend mit der „Funktionsgerechten Bodenstruktur“ auseinander. Er verdeutlichte, dass es künftig darauf ankomme, den Boden in die Lage zu versetzen, bei starken Niederschlägen möglichst viel Wasser in kurzer Zeit aufzunehmen. Dies sei sowohl wichtig für die Ertragsbildung der Pflanzen als auch für den Schutz vor Überflutungen sowie den Schutz von Gewässern vor Boden- und Nährstoffeinträgen. Umgekehrt müsse der Boden Niederschlagswasser lange halten können, damit es auch in Trockenphasen den Pflanzen möglichst lange noch zur Verfügung steht. Schmidt zeigte sehr anschaulich mit kleinen Experimenten auf, dass eine gute Bodenstruktur Ergebnis der optimalen Versorgung des Bodens mit Kalk sowie eines hohen Humusgehalts sei. Dabei sei allerdings die absolute Höhe des Humusgehalts nicht alleine entscheidend, sondern auch die Humusform und die Wechselwirkung mit dem pH-Wert bzw. Kalkgehalt im Boden.

Zum Abschluss der Veranstaltung konnte Christine Bardin, die stellvertretende Vorsitzende der Initiative Rodachtal und Bürgermeisterin von Ummerstadt, feststellen, dass alle Zuhörer mit vielen neuen und hochinteressanten Erkenntnissen, aber auch mit viel Stoff zum Nachdenken über die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels nach Hause gehen. Jeder müsse sich Gedanken machen, welchen Beitrag er persönlich für den Klimaschutz leisten könne.
Zuhörer lauschen den Ausführungen beim Klimagipfel.

Amt für Ländliche
Entwicklung Oberfranken

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